Durch die digitale Transformation gewinnt ein professionelles Customer Experience Management zusehends an Bedeutung. Warum das so ist, welche Besonderheiten es im B2B zu beachten gilt und wie Unternehmen konkret vorgehen sollten, verrät Martin Philipp. Der Mitgeschäftsführer der SC-Networks GmbH hat über 20 Jahre Erfahrung im Online-Marketing und dem Vertrieb von beratungsaufwendigen Produkten und Lösungen im B2B- & B2C-Umfeld.
Herr Philipp, erfolgreiche Unternehmen haben sich bei Entscheidungen schon immer an den Bedürfnissen des Kunden orientiert, sonst hätten sie am Markt vermutlich nicht lang überlebt. Dennoch scheint Customer Experience Management, auch CXM abgekürzt, in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen haben. Warum ist das so?
Ausschlaggebend ist die zunehmende Digitalisierung. Zwar werden die Wünsche des Kunden schon seit geraumer Zeit zunehmend berücksichtigt und durch das Customer Relationship Management bekam auch die Kundenbeziehung eine Wertigkeit, doch mit dem heutigen Stand der digitalen Transformation hat sich das Informations- und Kaufverhalten drastisch verändert. Daher ist es wichtig, in Unternehmen ein Management-System zu etablieren, das in der Lage ist, den Kunden über jeden Touchpoint positiv zu berühren.
Es gibt ja immer mehr solcher Touchpoints mit dem Kunden: Websites, Landingpages, Social Media, berufliche Netzwerke oder Newsletter, um nur einige zu nennen. Macht es diese Vielfalt eher leichter oder schwerer, den Kunden zufriedenzustellen?
Genau das ist heute die große Herausforderung. Denn einige Unternehmen müssen sich mit dem heutigen Stand der Digitalisierung ja fragen, ob sie ihr bisheriges Geschäftsmodell nicht grundlegend infrage stellen sollten. Der Kunde erwartet heute orts-, zeit- und geräteunabhängig, die von ihm gewünschten Informationen abrufen zu können. Das macht es auf der einen Seite schwieriger, auf der anderen Seite ist es aber auch eine große Chance. Denn potenzielle Kunden können so in ihrem Kaufprozess viel früher erreicht und ihre Probleme nutzerorientiert gelöst werden.
Wie grenzt sich Customer Experience Management vom Customer Relationship Management ab?
Im Customer Relationship Management stelle ich dem Kunden das zur Verfügung, was er erwartet, im Customer Experience Management bekommt der Kunde darüber hinaus einen Mehrwert. Während sich das CRM eher darum kümmert, die Beziehungen zu vorhandenen oder kurz vor dem Abschluss stehenden Kunden zu pflegen, soll der Kunde mit dem CXM komplett und über alle Touchpoints betreut werden – vom Erstkontakt über den gesamten Customer Lifecycle. Auf diese Weise kann ein zufriedener Kunde zum Markenbotschafter werden und seinerseits für neue Kunden sorgen. Das CXM ist also quasi eine Erweiterung des CRM.
Während sich das CRM eher darum kümmert, die Beziehungen zu vorhandenen oder kurz vor dem Abschluss stehenden Kunden zu pflegen, soll der Kunde mit dem CXM komplett und über alle Touchpoints betreut werden.
Im B2B-Segment gibt es weit weniger Kunden und Interessenten als im B2C. Welche besonderen Herausforderungen warten beim Customer Experience Management im Geschäftskundenbereich?
Im B2B entscheiden in der Regel mehrere Personen, nicht wie im B2C nur eine. Zudem werden Entscheidungen viel seltener aus Emotionen heraus getroffen, die Hard Facts sind weitaus wichtiger. Das gilt es auch beim CXM zu berücksichtigen. Der klassische Außendienstmitarbeiter reicht hier oft nicht mehr aus, es werden eher Fachspezialisten mit vertrieblichen Fähigkeiten benötigt. Zudem zeigen die ersten Untersuchungen bereits, dass die B2B-Entscheider ihr Informations- und Kaufverhalten aus dem Privaten in die Geschäftswelt übertragen. Sie informieren sich also weit vor dem eigentlichen Kaufprozess selbstständig und umfänglich.
Wie wichtig ist eine professionelle Marketing-Automation-Software in Ihren Augen? Übersteigen insbesondere im B2B-Mittelstand nicht Aufwand und Kosten häufig die Möglichkeiten von Unternehmen?
Eine Marketing-Automation-Software bringt immer mehr, als sie kostet. Ohne eine solche Technologie wird es kaum möglich sein, relevante Inhalte für alle Kunden zum passenden Zeitpunkt am richtigen Touchpoint auszuspielen und die Kommunikation zu managen. Die bisherigen CRM-Software ist dagegen eher ein Adresssystem. Gerade im B2B-Mittelstand bieten sich sogenannte Best-of-Breed-Ansätze an, die mehrere Systeme über Schnittstellen miteinander verbinden. Also beispielsweise eine Akquise-Plattform, eine Customer-Experience-Plattform und eine Transaktions-Plattform.
Martin Philipp, Co-CEO der SC-Networks GmbH
Es wird immer wichtiger, Personas zu definieren (...). Wenn potenzielle Kunden, ihre Bedürfnisse und ihr Informationsverhalten genau bekannt sind, sollten Unternehmen die Art der Kommunikation ändern
Welche konkreten Schritte sollten Unternehmen einleiten, die sich mit diesem Bereich noch nicht weiter beschäftig haben?
Es wird immer wichtiger, Personas zu definieren, also die Zielgruppe in Wunschkunden weiter aufzuspalten. Wenn potenzielle Kunden, ihre Bedürfnisse und ihr Informationsverhalten genau bekannt sind, sollten Unternehmen die Art der Kommunikation ändern, weg vom Produkt- und Firmenposting hin zu nutzerorientierten Inhalten. Erst im zweiten Schritt kann auf die Produkte oder Dienstleistungen verwiesen werden.
Zudem ist eine schnelle Reaktionszeit unabdingbar, um einen Wettbewerbsvorteil im Kampf um den Kunden zu generieren. Wer auf der Website eines Unternehmens beispielsweise einen angebotenen Chat aufruft, aber mehrere Minuten auf eine Reaktion warten muss, ist schnell wieder weg.
Haben Sie ein Praxisbeispiel eines B2B-Unternehmens, das das Customer Experience Management vorbildlich betreibt?
Mir ist in Deutschland kein B2B-Unternehmen bekannt, dass den CXM-Prozess schon vollständig etabliert hat. In Amerika sind die Firmen da schon deutlich weiter. Wer die Umsetzung zügig hinbekommt, kann dadurch sicherlich einen Wettbewerbsvorteil erzielen.