B2B-Unternehmen mussten ihre Vertriebsstrategie in diesem Jahr Corona-bedingt umstellen. Doch unter dem notgedrungenen Verzicht von Messen und anderen physischen Veranstaltungen muss die Marke nicht zwangsweise leiden, finden zwei Marketing-Experten.
Dennis Güth und Gunnar Schnarchendorff von der B2B-Agentur wob AG verraten im Interview, was B2B-Marken heute brauchen, um sich von der Konkurrenz abzuheben und einzigartige Erlebnisse zu generieren.
Herr Güth und Herr Schnarchendorff, zunächst ganz generell gefragt: Was unterscheidet eine B2B-Marke von einer B2C-Marke in Bezug auf den Markenaufbau?
GS: B2B-Marken stehen nicht im Regal und können insofern auch nicht für sich sprechen. Und im Geschäftskundenbereich wird in der Regel auch nicht nur ein Produkt oder eine Dienstleistung erworben, sondern eine umfassende Beziehung zu einem Unternehmen. Daran muss sich der Aufbau der Marke orientieren. Zudem ist im B2B-Bereich die Marke oft mit dem Unternehmen identisch, das ist im B2C meist anders.
Ist eine starke Marke im B2B genauso verkaufsfördernd wie im B2C? Oder sind andere Dinge wie Kundenservice nicht wichtiger?
GS: Da stellt sich die Frage, wie sehr das heutzutage überhaupt noch voneinander zu trennen ist. Natürlich gibt es im B2B-Segment nach wie vor nicht diese Markenaffinität wie im B2C, dennoch hat der Geschäftskundenbereich in den letzten Jahren stark aufgeholt. Auch hier werden Marken in immer stärkerem Maße mit Werten, Haltung oder einem „Purpose“ verbunden.
In einer aktuellen Umfrage gaben B2B-Entscheider im Durchschnitt fast elf verschiedene Themen an, für die ihre Marke besonders stehen soll. Wäre nicht eine Fokussierung auf wenige, aber dafür relevante Differenzierungsmerkmale sinnvoller?
GS: Definitiv. B2B-Marken benötigen eine deutliche Positionierung, aus der sich ergibt, für was sie stehen wollen. Elf verschiedene Themen gehen hier ganz klar am USP vorbei.
Wie hat sich die Markenführung im B2B durch die Digitalisierung verändert?
GS: Die Digitalisierung hat vor allem die Kommunikationswege stark ausgeweitet. Früher hatten Unternehmen eine viel umfassendere Kontrolle über ihre eigene Marke. Das ist heute zum Beispiel aufgrund der sozialen Medien, wo eine Marke ja diskutiert wird, nur noch begrenzt der Fall. Die Markenwahrnehmung ist dadurch auch insgesamt gewachsen, was für den Markenaufbau eine wichtige Rolle spielt.
B2B-Marken benötigen eine deutliche Positionierung, aus der sich ergibt, für was sie stehen wollen.
Immer häufiger wird das Stichwort „Emotionen“ genannt, wenn es um modernes B2B-Marketing geht. Zuvor schien jahrelang rein produktbezogenes Marketing das Maß aller Dinge zu sein. Was benötigen B2B-Marken denn nun wirklich?
GS: Emotionen werden wichtiger, da auch im B2B-Segment die Innovationsvorsprünge immer kleiner werden und Dienstleistungen sowie Produkte immer schneller austauschbar. Und die Entscheidung eines Kunden für oder gegen ein Unternehmen fällt dann eben auch aufgrund emotionaler Faktoren. Das wurde früher zwar oft bestritten, doch eine Kaufentscheidung im B2B ist immer auch eine Entscheidung für eine Beziehung zu einem Unternehmen, da der Kunde in der Regel über Jahre mit den Menschen dort zu tun haben wird. Und natürlich spielen Emotionen da eine Rolle.
Emotionen sind ein Punkt – doch was benötigen B2B-Marken dieser Zeiten noch, um einzigartige Erlebnisse zu generieren?
GS: Am Ende muss ich als B2B-Marke eine Beziehung mit dem Kunden aufbauen können, ihm also eine Möglichkeit geben, sich mit dem Unternehmen zu verbinden. Dafür ist eine glaubwürdige, authentische und konsistente Kommunikation ebenso wichtig wie eine klare Haltung zu bestimmten Themen. Denn eine Beziehung zwischen Mensch und Unternehmen lässt sich heute am besten über Marken herstellen.
In einem Vortrag bei den B2B Marketing Days sprachen Sie zudem von virtuellen Markenerlebnissen als Mittel der internen und externen Kommunikation – können Sie das veranschaulichen?
DG: Virtuelle Räume sind gerade in der heutigen Zeit der Corona-bedingten Einschränkungen sehr gut geeignet, um Marken erlebbar zu machen und sie zu inszenieren. Und auch wenn im nächsten Jahr Präsenzveranstaltungen wieder möglich sein sollten, weiß ich nicht, ob alle Unternehmen und Veranstalter genauso weitermachen werden wie vor der Krise. Viele werden sich fragen, ob Hunderttausende Euro Investment für eine Live-Messe überhaupt noch sinnvoll sind. Aussteller können Reisekosten, Überführungskosten, Stromkosten und an vielen weiteren Positionen Geld sparen, wenn sie auf digitale Formate zurückgreifen. Denn die Praxis hat gezeigt: Solche digitalen Treffpunkte sind zeit- und kostensparend, die Ergebnisse sind messbar und die Zielgruppe wird größer, da Distanzen keine Rolle mehr spielen. Das Beste dabei ist, dass sich Marketing, Event, Vertrieb und IT aus gegebenem Anlass an einen Tisch setzen lassen, um eine digitalere Unternehmensstrategie gemeinsam zu entwickeln.
Dennis Güth (links) und Gunnar Schnarchendorff von der B2B Agentur wob AG
Fällt Ihnen da ein Praxisbeispiel ein?
DG: Durch den Ausfall der drupa, die Leitmesse für die Druckindustrie, haben wir für die Heidelberger Druckmaschinen AG ein digitales Konzept entwickelt, mit dem das Unternehmen an internationaler Strahlkraft noch gewinnen konnte: die Heidelberg Innovation Week 2020. Da die Zielgruppe im virtuellen Raum keine geografischen Grenzen kennt, hatten wir Teilnehmer aus über 100 Nationen, unter anderem sogar von den Fidschi Inseln. Der Nutzer konnte vor und während des Events aus mehr als 300 Vertriebsmitarbeitern wählen und Online-Termine über ein elektronisches Buchungstool vereinbaren. Durch ein lückenloses Tracking kann die Heidelberger Druckmaschinen AG im Nachgang genau feststellen, welche Leads und Geschäftsabschlüsse auf der Veranstaltung zustande gekommen sind. Das Resümee des Kunden: Ein digitales Event in dieser Form ist mindestens genauso effizient wie ein Offline-Event, wenn nicht sogar noch effektiver in Sachen Leadgenerierung.
Und inwiefern eignen sich virtuelle Veranstaltungen als Mittel der internen Kommunikation?
DG: Es gibt Großunternehmen, die ihre Niederlassungen in der Corona-Zeit komplett dichtgemacht und alle Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt haben. Und dort arbeiten sie mittlerweile seit Monaten isoliert und drohen die Identifikation mit ihrem Unternehmen zu verlieren. Auch hier können digitale Formate helfen, um die Arbeitgebermarke erlebbar zu machen. Ganz aktuelles Beispiel: eine virtuelle Weihnachtsfeier. Diese kann eine physische Feier natürlich nicht 1:1 ersetzen, ist jedoch immer noch eine weitaus bessere Option für den Zusammenhalt der Belegschaft und die Bindung zum Unternehmen, als nur eine Weihnachtskarte oder ein kleines Geschenk zu verschicken.