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„Aussagen von Mitarbeitern sind authentisch und glaubwürdig”

Das B2B-Marketing befindet sich im Wandel und steht vor diversen Herausforderungen. Wie das „bvik Trendbarometer Industriekommunikation 2022“ ergab, hängt der Erfolg der Markenkommunikation nicht mehr nur von den Marketingfachleuten ab. Heute kommt es dabei auch auf die gesamte Belegschaft eines Unternehmens an.

Kollegen im Büro

Marketingprofessor Dr. Seon-Su Kim von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHWB) Mosbach hat die Studie ausgewertet. Er sagt im Visable-Interview, warum die deutsche Industriekommunikation in Rückstand geraten ist, woran es konkret fehlt und welche Faktoren im B2B-Marketing künftig erfolgsentscheidend sein werden.

Herr Prof. Dr. Kim, nach der Auswertung der aktuellen Studie kommen Sie zu dem Schluss, dass die  deutsche Industriekommunikation in Rückstand gerät. Woran liegt das? Was machen andere Länder besser?

Aufgrund der Antworten der Befragten und vor allem auch der offenen Kommentare ergab sich, dass alle Aspekte der Digitalisierung zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor im internationalen Wettbewerb der Industriekommunikation werden. Und hier fehlt es offenbar sowohl an Fachkräften als auch an der entsprechenden Planung und Strategie in den Unternehmen. In anderen Ländern werden Digitalisierungskompetenzen oft viel früher und intensiver vermittelt, sowohl in der Ausbildung als auch in der Weiterbildung. Vor allem Unternehmen in Nordamerika und im asiatischen Raum haben bessere Rahmenbedingungen und können davon profitieren.

Ein überraschendes Ergebnis des diesjährigen Trendbarometers: Die Mitarbeiter eines Unternehmens sind der wichtigste Marketingfaktor. Und damit sind nicht nur Marketingfachkräfte gemeint, sondern die gesamte Belegschaft, die als Markenbotschafter auftreten sollte. Wie sieht das in der Praxis aus?

In der Wissenschaft ist das Marketingpotenzial von Mitarbeitern seit Jahren offenkundig. Überraschend ist allerdings, dass nun die Praktiker diese Relevanz so deutlich zum Ausdruck bringen. Dabei geht es einerseits um die immer wichtigeren digitalen Fachkompetenzen der Marketer, andererseits aber um alle Beschäftigten in ihrer Funktion als Markenbotschafter, vor allem in den Sozialen Netzwerken. 

 

Wenn beispielsweise eine Mitarbeiterin aus der Finanzbuchhaltung auf ihrem privaten Facebook-Account postet, wie glücklich sie mit ihrem Job ist, zahlt das ganz viel auf das Markenkonto des Unternehmens ein. Denn so etwas ist viel authentischer und glaubwürdiger als die Aussage eines bezahlten Posts oder eines gekauften Influencers. 

Die Weiterentwicklung digitaler Skills ist laut der Studie ein erfolgsentscheidender Faktor im Zukunftsmarketing. Welche Fähigkeiten sind hier im Besonderen gemeint?

Viele der Top-Trends und Herausforderungen, die als erfolgskritisch angesehen werden, beschäftigen sich mit Digitalthemen: Big Data, Data Analytics oder Künstliche Intelligenz beziehungsweise automatisierte Prozesse. Aber genau auf diesen Feldern fehlt offenbar das Know-how in den B2B-Unternehmen – und zwar dort, wo die Umsetzung erfolgen muss, in den Marketingabteilungen. Mit der Anschaffung des einen oder anderen IT-Tools ist es nicht getan. Diese Lösungen müssen von den Kommunikationsexperten auch genutzt und gegebenenfalls angepasst werden können, um die Potenziale zu heben. Hier gilt es, einerseits in der Ausbildung an den Hochschulen anzusetzen, andererseits bei der Weiterbildung in den Unternehmen.

 

Prof. Dr. Kim

Dr Seon-Su Kim, Marketingprofessor an der  Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHWB) Mosbach

Ein weiteres Studienergebnis: Agile Methoden werden unerlässlich. Können Sie uns das erklären?

Viele glauben, dass agiles Projektmanagement impliziert, kein konkretes Ziel vor Augen zu haben. Doch das ist nicht richtig. Es geht vielmehr darum, den Weg zu diesem Ziel flexibler zu gestalten und das Ziel im Zweifel auch anzupassen. Und diese Flexibilität ist viel wichtiger geworden, da es auch dank des digitalen Fortschritts in viel kürzeren Zeiträumen neue Erkenntnisse gibt, die zu einem Umdenken zwingen. Die Rahmenbedingungen und die Verhaltensweisen der Zielgruppen ändern sich schnell: Die Kunden legen ein viel dynamischeres Kommunikations- und Kaufverhalten an den Tag als vor zehn Jahren.

Ein ganz anderer Aspekt des Trendbarometers ist die gestiegene Relevanz von Nachhaltigkeit in der B2B-Kommunikation. Sie wird als wesentlicher Treiber der Markenpositionierung bewertet. Gefühlt geben sich mittlerweile fast alle Firmen in irgendeiner Weise als nachhaltig aus – kann sich ein Unternehmen damit überhaupt noch hervortun?

Gerade unter den mittelständischen B2B-Unternehmen brüsten sich tatsächlich fast alle mit ihrem nachhaltigen Handeln, teilweise auch zurecht. Die Gefahr des Greenwashings – und damit auch das Risiko für die Markenpositionierung – ist jedoch hoch für jene, die nur auf diesen Zug aufspringen wollten. Wer Nachhaltigkeit nicht bloß eindimensional als Umweltschutz betrachtet, sondern sich auf einen der vielen Aspekte konzentriert, kann sich damit aber weiterhin profilieren. Die Agenda 2030 der UN sieht insgesamt 17 globale Ziele für eine nachhaltige Entwicklung vor, da verbirgt sich für Unternehmen in Marketinghinsicht noch enormes Potenzial. Aber auch in Sachen Nachhaltigkeitskompetenz scheint es bei vielen Firmen noch zu hapern.

Ein weiteres Ergebnis der Studie erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich: Automatisierte Leadgenerierung trägt danach zum wesentlichen Erfolg im B2B-Marketing bei. Sie schreiben aber auch, dass persönliche Kontakte und Produktpräsentationen nach wie vor der wichtigste Touchpoint sind.

Das eine schließt das andere nicht aus. Mithilfe der Datenanalyse lässt sich beispielsweise automatisiert sehr individuell auf die Ansprüche der Kunden eingehen, etwa beim Mail-Versand, sodass jeder Kunde Informationen bekommt, die ihn auch wirklich interessieren. Und in den Fällen, in denen es relevant wird, müssen Interessenten dann natürlich persönlich abgeholt werden.

Ein Blick in die Zukunft: Welchen Stellenwert wird die Marke im B2B-Segment in den kommenden Jahren einnehmen?

Die Marke war schon immer bedeutend und wird es auch bleiben. Das professionelle Markenmanagement hat im B2B aber noch Luft nach oben, die Potenziale können noch weitaus besser ausgeschöpft werden.

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